Mittwoch, 28. Dezember 2011

zwischen den jahren

Der Texte sind französisch und seduktiv. Keine Playlist, sondern in eine von unterschiedlichen Personen, in Abwechslung zusammengestellte Mischung verschiedener CD's. Es wird Hardware mit Hardware bestückt. Glaube Serge Gainsbourg, später auch Grace Jones. Wir sind betrunken. Allerdings vollziehe ich eine Blitzausnüchterung, überwiegend mit dem Kopf auf der Tischplatte. Wir essen Nudeln, together am Tisch. Gerade ist mir alles auf eine angenehme Art und Weise fremd. Ein Basis-Symptom, das sich der Rausch mit meiner Pesönlichkeits-Störung teilen muss. Gerade plant man gemeinschaftlich Dinge, in denen es wiederum auch um Gemeinschaft geht. Sitze schwindelig und schweigend am Tisch. Die anderen schenken sich gegenseitig nach. "Starker Titel" sagt Andreas (sehr, sehr witziger Andreas). Boris und seine Freundin sind ausgelassen, gehen mit der Musik, bis fast in die 70er zurück. Sie macht mir eindeutige Angebote, er plant sowas ähnliches wie eine Kommune. Fühle mich wohl an dem Holztisch, warmes Licht und Nudelteller. Ich glaub das hier ist post-ironisch, oder prä? Keine Ahnung. Verlange sofort laut nach einem anderen Rätsel, welches ich sogar bekomme (Boris legt es mir auf die Hand: ein kleiner türkiser Ring) und wider Erwartung sofort löse. Zufall natürlich. Marek ist deswegen trotzdem kurz sauer. Scrolle selbstvergessen in meinem Mobile Device. Vergesse dabei sogar das ich einen Blog habe, bis mich Boris relativ schnippisch fragt, ob ich gerade diesen besuchen würde, um zu schauen wer ihn alles nicht lesen würde. Nun tanzt Julia selbstverloren zu Chansons, fällt manchmal um dabei und sitzt rauchend am Boden. Boris wickelt ihr dabei einen Schal um den Kopf. Drehe Kerzenwachs mit den Fingern, flämme einen Korken an um Marek damit die Stirn zu schwärzen. Minuten später sind Andreas und ich als einzige nicht bemalt und damit irrer-weise die Gezeichneten.


Meine Brüder kommen zu mir. Der Älteste möchte ein Hochzeitsvideo für seine Frau schneiden. Bei ihm zuhause geht das nicht, sonst kriegt sie es mit. Jeder sitzt nun hinter einem Apple. Auf dem Couchtisch drei I-Phones. Wir lachen uns dafür schallend aus. Weil wir natürlich diesen Konzern verachten, wie er auch uns verachtet. Für seine Frau habe ich als Einzige nichts besorgt, ich kann mich nicht in sie reinversetzen, wüsste nicht was ihr gefiele. "Macht nix. Kann ich auch nicht. Deshalb kriegt sie dieses Video." Der jüngere und ich feixen heimlich über das Bildmaterial der Trauung, der Flitterwochen. Damit ich dazu nicht die ganze Zeit hinter seinem I-Mac stehen muss, verbinden wir unsere Bildschirme via Skype. Jetzt kann ich auf dem Sofa weiterbloggen, während er eine Slide-Show von Schnappschüssen animiert, eine 3D-Animation mit Trauringen bastelt. Ein Foto zeigt die Braut (jünger als ich), eine getönte Sonnenbrille tragend, in der man einen Strand plus Sonnenuntergang sieht. Das Bild ist schwarz-weiß, bis auf die bunte, tropische Spiegelung, color-gegraded von ihrem Mann. Der bekommt, durch den Kopfhörer, unser Gelächter mit, entschuldigt sich fürs Rohmaterial: " Sorry, das sind halt echte Emotionen." Überlegt auch gleich ob es einen Starbucks- Bringdienst gibt. Mein Kaffe ist auch wirklich schlecht. Wir hassen natürlich Starbucks. Alle hassen das. Wir spielen aber doch gerade Agentur und spielen auch sonst. Damit ich insgesamt weiß was geht, zeigt mir der Jüngere jetzt kurz das Intro des Films Irreversibel. Kann nicht sein denken, und dann modern verarbeiten, d.h. 15 mal cmd-Z drücken. "Die Polaroid-Ani da, da fallen ja alle Bilder gleich rein, sieht komisch aus" " Ey- das sind 1000 Bilder, ich hab keinen Bock die alle einzeln zu animieren." " Ja, kannste ja machen wie du willst, gibt gleich auch Pizza. Nee, sieht super aus. Je öfter ich es sehe...kommt da noch ne Unschärfe drauf?- nee, sieht gut aus."


Klaus fragt Torsten nach seiner Meinung bezüglich des neuen Parkettbodens, dunkel und hochglänzend. Marlen sitzt ruhig am Tisch, hebt das Tuch zupfend an, während sie über die Schulter ins Wohnzimmer guckt. Jetzt steht sie halb auf um Torstens Frau zu begrüssen. Ich sage die ganze Zeit überwiegend "Hammer.", zeige dabei auf Weihnachts- Items wie das nervös-fröhliche Gesicht meiner Mutter oder den mit Lametta kaschierten Christbaumständer. Lukas sieht total schick aus, pikst in Päckchen. Eben waren wir in der Kirche, haben min. zehn Minuten nach dem idealen Platz gesucht. Also mittig und weit vorne. Wir wollten den maximalem Still-sein-Druck erzeugen, um dann lustvoll gegen jedes Lachen kämpfen zu müssen. Jetzt aber gibt es Essen auf asymmetrischem Geschirr, schwarz-weiß gemustert. "He, hört ihr dieses Fiepen?" Tatsächlich, Klaus hat eine Audio-Kassette eingelegt. Direkt zu Anfang läuft Rondo Veniziano "Hammer." Vorspeise ist irgendetwas in Aspik. Torsten sitzt für zwei Minuten halbnackt am Tisch. Unter dem eingebildeten Druck der anderen Geschwister, hat er sein Vivienne Westwood T-Shirt ausgezogen. Als Mutter wiederkommt ist aber alles wieder gerichtet. Klaus holt den Korn aus dem chinesischen Hochzeitsschrank. Meine Mutter bestimmt schneller als die Kazam-App, das Lied im Background als den Song White Eagle der Band White Eagle : "Indikativ von Allein gegen die Mafia."  Mama sagt wirklich Indikativ, ich weiß als einzige nicht was das heißt. Dann läuft, etwas leiernd, das Dudelsack-Intro von Joan of Arc, das One-Hit Wonder von Orchestred Maneuvres in the dark. Torsten meint er wäre zu dem Song als Jugendlicher nachdenklich durch Ronsdorf gelaufen. Hätte zwischen Postamt und Hallenschwimmbad über den Sinn seiner Existenz nachgedacht. Auf dem Tisch liegen heute vier iPhones. Auf zweien ist Torstens Gesicht als Bildschirm-Hintergrund. Galina weißt mich darauf hin, dass nicht immer alles eindeutig gut oder schlecht sei, während Torsten und Lukas diskutieren, welche Speicherform für ein digitales Geschenk romantischer ist: Ein verzierter Memory-Stick oder ein beklebter CD-Rohling. Dann schauen wir also den Hochzeitsfilm an, im Halbkreis um Marlens Laptop. Galina muss weinen. "Hammer."


Wir sitzen zu viert am Tisch, die Birne habe ich mit spitzen Fingern rausgedreht. Angenehmes Dunkel. Anna trinkt Limo wegen Auto. Meike Gin-Tonic. Ojay Wodka. Ich auch: Wodka. Bis hier haben wir es geschafft. Habe noch Schulden bei meinem Bruder, wegen der Präsente. Jetzt aber noch das Weihnachtsgeld in der Tasche. In der Kneipe heute natürlich einige Rückkehrer. Unter anderem der traurige Robert. Mein spontan Geschenk für Ojay, der ihn noch nicht kennt. Lenke seinen Blick also auf den schönen, dunkelgelockten Jungen der sich schweigend, trinkend und rauchend unter die Leute mischt. Dabei immer Kopfhörer trägt, echt teure glaub ich, die mit Gegenschall die Umgebungsgeräusche ausmerzen. "Die Lonelyness von ihm ist echt hart. Steht ihm ausgezeichnet. Danke." Wir tauschen ein paar müde Anekdoten, und versichern uns mehrfach unsere Zuneigung. Stellen fest, das auch wir tatsächlich irgendwie altern. Zum Glück noch ziemlich unkonkret. Bis hier hin haben wir es schon wieder geschafft. Das Tal schon wieder. Das Tal. Die uns antreibende Desperation wird uns später, Meike und Anna geben vorschnell auf, im  U-Club, mit dem blasphemischsten Krippenspiel aller Zeiten belohnen. Ich kann es nicht beschreiben. Es wird hart sein. Ojay macht ein Foto. Dann spielt Mambo-Kurt eine Heimorgelversion von Self-Esteem, während ein bisexueller, halbnackter, muskulöser Weihnachtsmann von der Bühne aus jedem Gemeindemitglied, welches Single ist, einen harten Zungenkuss verspricht.

Samstag, 17. Dezember 2011

aufnahmetechniken

Folgendes war klar: Die hemmungslose Zelebrierung sämtlicher Neurosen zur Weihnachtszeit, im familiären Rahmen, durfte mangels Originalität (des Sujets an sich schon), kaum unter den üblichen Gesichtspunkten beobachtet werden. Dann wahre ich auch noch die Form (entweder aus Unaufgeregtheit, wahrscheinlich aber wegen des Überangebots sämtlicher mir zur Verfügung stehender Rezeptionspersönlichkeiten) redundanter-weise in einer Welt (sic.) die sich ja nur noch aus Schablonen zusammensetzt. Daran sind die Medien schuld, wirklich. Ein Beweis hierfür liefert der (immer noch wahre) vorangegangene Satz (nein, eigentlich alle, allein innerhalb dieses Eintrags). Meine Welt darf also nicht in Clips zerfallen. Diese Wahrnehmung: far too gängig. Niemals sollte ich sie also beschreiben, dann noch im Netz publizieren. Aber: klischeefreies Leben ist unmöglich (Falk). Speisen in der Keimzelle allen Irrsinns. Die besten Sequenzen zeichne ich nicht auf. Kann das Smartphone nicht richtig bedienen (der Bruder hilft später). Wenigstens bewahrte mich mein prekärer Lebenstil, bis nun, vor der totalen Erfüllung meiner Rolle. Jetzt ist die Kontur also qua Technik geschlossen. Darf ich also erwähnen (unser aller Schicksal tapfer tragend): es gab Fondue. Themenmahl Destruktion: Die Patchworkfamilie frittiert häppchenweise in einzelne Schalen, säuberlich getrennte (Paprika nach Farben, z.B.), klein zerschnippelte Lebensmittel- sauber aufgepikst. Die Frau meines Vaters betrinkt sich beiläufig, lamentiert sich natürlich in Rage. Ich werde meinem Vater (er heute, mehr als ever, mimisch minimalistisch präzise) das erste Mal im Leben sagen (natürlich lachend), dass ich ihn liebe. Nachdem oder vor, keiner weiss es mehr, auch das I-phone nicht, sie uns ihren relativ unsittlichen Wunsch-Tod beschreibt. Von ihren Ausführungen ablenkend, zeigt Vater schnell Fotos auf seinem Smartphone: Strand im Winter, ein Boot auf Grund. Die Serenity (engl.: "heitere Gelassenheit") liegt trocken. Das IJssel-Meer führt kaum mehr Wasser.

Samstag, 10. Dezember 2011

erben

Der Hybrid steht sofort auf eigenen Beinen. Überhaupt nicht wackelig. Ein einnehmendes Wesen, dieses Kind, Kreuzung von Ereignissen. Anke bestellt Sekt auf Eis. Der Wirt heißt ohne Witz Hurrican. Ich mag nicht mehr hinabsteigen, in mein Basement, während wir subterra rauchen. Ab 1. Januar, sagt sie, dürfe man auch das, auch hier nicht mehr tun. Auf dem Display Bilder aus Thailand. Blau reflektiert sein Licht auf ihrer Restbräune. Wie wir in ihrem Pool schwammen, auch im Keller, fällt mir ein. Mit Gegenstromanlage. Ankes Mutter unter einem Klimt-Druck hockte, Wachsbuchstaben mit Docht, Jahre ist das her, zu dem Wort Noel formte. Ja, klage ich, ich werd die beiden nicht mehr sehen können. Diese schönen Brüder, die versiegelten Söhne. Im Januar hatte ich erstmals betrauert, verschneite Gleisen, neonblaues Blitzen auf den notorisch antauenden Stromleitungen, was mir im Juni obsolet schien. Simon und ich mit Nik in der kleinen Reise. Die feuchte Hitze ekelte mich erst an der Pissrinne. Davor noch wie Nik auf diese Irin einredete,  er möge umsonst Einlass finden. Irin mit Kaugummi, neben der Kasse, über einem Schundroman. Später auf dem Sofa, eine andere Irin nahm ein Photo, ein Beweisstück das mir gerade ganz schlimm fehlt, zu dritt. Ist es dieses Mal? Sitzt es auf der Stirn? Werde ich deshalb so gerne dort berührt? Kann ich noch eine von deinen rauchen? Der Hybrid gibt mir Feuer, während Anke neu ordert. Wieder oben, das Essen schon fertig. Man reicht mir Besteck und- "Mein Vater, hat dich immer gemocht."

Mittwoch, 7. Dezember 2011

erzeugen, fighten, aufzählen.

Davor tatsächlich auf Schalke. Im Stadion. Sieht kleiner aus als im Fernsehen. Liegt auf dem Rücken, ich sitze.

Das Drama der menschlichen Existenz verdinglicht sich heute, in dieser Zahnarzt Praxis, in einer speckig verkrusteten Mehrfachsteckdose. Dreck und Strom. Tier und Maschine. Standard und Unterbietung. Also insgesamt Annahme und Realität. Die Fussgängerzone durch blaue Lamellen. Grobe Arme hat der Arzt, der vierschrötige. Die Assistenz ist auf jeden Fall Slawin. Hat einen Glitzer-Stein auf dem spitzen Schneidezahn. Hier wird kaum gelogen. Brettharte Ehrlichkeit. So derartig unschick. Bekomme doch nichts extrahiert. Bekomme 10 Euro zurück.

Wir brauchen ein Fanal. Auch wenn Feuer kitschig ist. Das macht nichts, es ist ja auch irre heiß und macht was kaputt. Ausserdem macht es all das von alleine.

Mein Bruder entschuldigt sich für seine vehemente Art am Samstag Abend. Sehr betrunken war er. Warf der Thekenkraft seine Börse zu, sie auffordernd, sie möge sich ihr Geld doch selbst raussuchen. Er verdient jetzt viel Geld mit dummen Sachen, die er aber gut aussehen lässt. Ein Blut, eine Profession: dünnes Wasser. Dann noch Heiligabend vorempfinden, wir diskutieren jetzt schon, telefonisch, was passiert sein wird. Er wartet auf den Zug. "Sterne, warte mal. Wofür standen die noch: Schicksal, Zukunft, Luxus..." "Ja, auch für Klasse. Und dann legt jemand einen schlechten Blur darauf." Dann weiß ich aber, das er meinen Kopf in die Hände nahm und mir neben allerhand Gemeinem und Wirrem und Falschem, auch noch etwas anderes sagte. Zerfetzendes. "Tut mir leid." sagt er. Ich: "Love und das."

Bei dem Wort heute musste ich unverhältnismäßig lachen.

Sebastian hatte Geburtstag. Nachfeier. Kenne die meisten nicht. Halte mich an Martin. Habe einen teuren Mantel und fasst nichts zu sagen. Matthias ist dünn, wir essen Knäckebrot. Sebastian weiß anscheinend, dass ich Knäckebrot esse. Ein Mädchen sagt sie habe viel von mir gehört. Freue mich auf neuen Unsinn, kenne leider diesen schon. Mein eigener. Kaum gefiltert durch die Worte der anderen. Johannes sagt später er vermisse mich. Seltsamer Johannes. 

Kathrin hat eine Bindehaut-Entzündung, weil es in der Kapelle so kalt war. Tränen und Zugluft. Oh no. Dann regnet es noch durch unser Dach und es sterben noch mehr Leute. Kathrin puzzelt eine neue Schutzhülle für ihr I-Phone auf meinem Sofa zurecht. Ich sollte mich mal für jemanden prügeln.

Das Messer war noch da wo ich es versteckt hatte. Es ist krasser als im Fernsehen. Es ist überhaupt krass.







Samstag, 3. Dezember 2011

In einer der untersten Etagen Licht. Dreht sich bescheiden im Treppenhaus hoch. Als ob es ihm ebenso schwer fiele. Den Treppen will es schmeicheln, so es sich abnehmend stuft. Es könnte gleich überall sein. Was es auch tatsächlich ist. Zerstreut sich durch Glas, vibriert von der Decke, sucht Schutz unter Lidern, verbirgt sich in Farben. Spuren davon auch im Blut, sich speisend in der Brust, pulsfressend. Geschieht mir und wird widerfahren. Die Erschöpfung schlägt Funken, meinem Blick für Sekunden nachhängend. Blinzelnd, nicht schliessend. Es hat lang nicht geregnet. Tausend Wunden, ein Dorn.