Montag, 9. April 2012

Es wird eine andere Route vorgeschlagen, die Sonne steht hoch, es ist Mittag. In der Folge treffen wir Lukas, der in einer sonst oft verschmähten Zone Pause macht. Er sieht uns erst als wir zwei Meter vor ihm stehen, also schlecht. Da wir alle ziemlich blind sind, die nächsten paar Strassen zusammen aussuchen und so weiter, kommt es dass Simon die lustige Geschichte erzählt, wie einmal sein Augen-Innendruck gemessen wurde. Dabei bekam er einen Sensor mit Saugnapf auf das Auge gesetzt, die Hand der Sprechstundenhilfe hielt den Kopf. Ganz fest presste das Gummi auf dem Apfel, die Hand im Nacken. Als ein sehr helles Licht durch die Iris die Netzhaut untersuchte, sah er das Innere seines eigenen Auges mit eben jenem. Der grelle Strahl im Geäst der Gefäße, rot-glasiges Dunkel, der pulsierende Druck auf den Nerv (der wohl ungünstig nah neben dem Sinn für das Gleichgewicht liegt), die Unverwehrbarkeit gegenüber dem Bild, dass das Auge von sich selbst sah- er wurde ohnmächtig. Ja wirklich ohnmächtig. Die Untersuchung wurde abgebrochen. Man legte ihn auf den Boden, die Beine hoch an die Wand. Er wachte auf, erholte sich und so. Und dann war da ja noch das linke Auge. 

Das Haus ist sehr schmal in der Front, läuft aber weit nach hinten, die Länge begleitet ein Garten. Erst einmal Kaffee und Palaver. Auch eine Reval ohne Filter. Schon mehr fies als schick, aber so für zwischen die Finger ok. Über dem Sturz der Türe steht in gesperrten Lettern N u r  a u f  d e n  Z u f a l l  i s t  V e r l a ß.  
An der Wand rechts, daran schliessend und mir gegenüber, eine Reihe von Blättern. Direkt im Blickfeld sehr lange die Zeichnung einer Frau, mit schwarzen Augen auf hellem Papier. Dann ihr Nachbild auf dem Boden als weiße Flecken, die Stuhllehnen unscharf weil ich den Blick kaum verrücke, ich bemühe mich jedenfalls darum. Man lebe viel zu kurz um die nötigen Schlüsse ziehen zu können. Doof, oder? Nö, geht. Ob ich die Narbe am Kinn von einem Unfall habe, vielleicht mit einem Fahrrad? Es gab keinen Unfall- nein. Achso. Und die Narbe ist auch nur das Streiflicht. Sie bleibt bis der Winkel sich tiefer zieht und rot wird. Man, sitz ich ruhig. Gleich kommt die blaue Stunde, ne? Genau. Bisschen noch. Wir warten etwas, die Länge begleitet der Garten. Als sie kommt bin ich narbenfrei, sie klar und veilchenblau. Weil ich die Fledermäuse auch sehen will, komm ich näher ans Fenster. Eine sehe ich, und auch den Nachbarn: der ehemalige Honorar-Konsul von Sansibar. Auf dem Weg von der Fledermaus zu dem weißhaarigen Herrn, flimmert das Bild wie von Hitze. Nicht weil ich fieber, oder die Luft, sondern weil die Fensterscheiben sehr alt sind.