Samstag, 21. April 2012


Für ein paar Sekunden bleibe ich liegen. Die Arme auf Kopfhöhe. Die linke Hand wird sofort sehr warm oder der Stein ist kalt. Beides. Dann dreh ich mich über die Seite auf den Rücken- Regenrinnen, Dachsturz, Strassenlampen -  und stehe auf. Irritierenderweise schaue ich jetzt in die Richtung aus der ich gekommen bin, die Strasse zurück nämlich, davon wird mir kurz flau. Meine Kleidung ist nirgends beschädigt. Zehn Meter entfernt steht ein Junge in einer silbernen Autotür. Ein Golf- er sieht rüber. Die Hand ist am Ballen etwas aufgeraut. Ich gehe, weniger zügig, weiter. Die Luft riecht wie November und ich hab noch zehn Minuten. Erst an der Garderobe klopfe ich hellen Dreck vom Mantel. Die Bügel klirren noch länger nach. Dann fahr ich den Rechner hoch und bekritzel Post-It-Zettel und meinen Unterarm mit einem Kugelschreiber. Auf der Toilette sehe ich, bestimmt eine Stunde später, während ich meine Haare hochstecke, das ich mir den linken Hüftknochen aufgeschürft habe. Davon mach ich ein Foto, auf dem man nichts erkennt. Ich versende es trotzdem.

Die erste Stunde bin ich völlig hingerissen vom Publikum und achte nicht wirklich auf die Bilder. Wirklichlich, es ist schwer. Gestern Abend habe ich die Zusage auf eine Eintrittskarte bekommen. Weil wir direkt dorthinfahren wollen, ziehe ich mich morgens schon entsprechend an. Im Vergleich sehe ich, das ich es nicht falsch gemacht habe. Zum Glück aber auch nicht richtig. Wir fahren sofort auf die oberste Etage, in den Bereich der New-Yorker Galerien. Heimliches High-Five mit mir selbst aus Coincidence-Gründen. Auf keinen Fall will ich es schaffen, bei den anderen zu bleiben. Das scheint eh unmöglich, daher speicher ich die Nummer einer Kollegin, für den Fall das ich den Treffpunkt nicht finde. Hier sind alle reich und/oder ambitioniert auf jedenfall aber contemporary. Nicht wenige der jungen Frauen im Erdgeschoss waren vorher beim Stylisten scheint es, ausserdem gibt es wirklich rheinländische alte Schwuchteln, die tatsächlich enggebundende Seidenschals um den Hals tragen. Die schönsten Frauen hier, fast alle auf der ersten Etage, tragen die Haare sehr kurz. Roter Lippenstift, pinker. Hübsche schmalknochige Jungens. Laute Junkie-Look-Studenten mit Sekt-Aperol- was für zwei Seuchen. Söhne und Töchter. Transvestiten. Hermes, Vuitton. Burkas vor Neonröhren. Morgensterne mit Klavierlack. Ventilatoren vs. Goldpailletten. Überall Sekt-Aperol. Manager gegen Privatiers gegen Sammler. Die Galerie- Mädchen an den Tischen sind sehr wach. Ihre Gesichter und auch ihre Visitenkarten, weiß mit Prägung. Vieles sieht aus wie Plattencover oder Flyer. Unzählige Pornoscreenshots auf Leinwand, Kristallsammlung vor blonden Video-Schönheiten. Man darf anfassen, wenn man kauft. Auch den Richter. Auch den Andy. Tony Cragg-Hure. Zerstörte Strassen. Riesige, vomitierende Tiere aus Plüsch. Mädchenplastik von schwarzem Kirchfries durchbohrt. Von Geburt an sehr Reiche sind sanft. Ab Neun gibt es Freikölsch am Südausgang. Die müssen sich nicht hart machen, heisst es. Ich wähle die Nummer der Kollegin.