Sonntag, 16. Oktober 2011

11.12.2011

Kalte Luft trägt die Geräusche weiter. So dringen einige von ihnen nach längeren Wegen, wieder durch die Fensterspalten, die mit Bedacht geöffnet und nun eilig verschlossen werden. Noch bemüh ich keine Heizung. Der Himmel ist hochtrabend blau. Zähle alle Dinge im Raum, die glitzern und komme auf eine ungerade Zahl. Gelogen. Eigentlich komm ich auf keine Zahl. Ich bin nicht sicher ob nur das zählt was ich von hier aus erkenne, oder auch das von dem ich es, nicht sehend, weiß. Oder ob Sachen, die sich spiegeln doppelt gewertet werden. Auf das Glas, befüllt mit Rosenköpfen von der Strassenbegrünung, habe ich vorgestern (glaub ich) das Wort Now geschrieben. An den Knospen sammeln sich Bläschen, die nicht aufsteigen wenn ich mit den Fingern dagegen schnippe. 

Die Aufzüge fahren bis in den 17 Stock aussen am Gebäude hoch. Die letzten zwei Etagen geht es dann entweder per Treppe oder mit dem Innen-Aufzug weiter. Die Kellner tragen schwarz, auch schwarze Handschuhe, ziemlich scharf. Aus Neugier probier ich sogar das Fleisch. Die Innenbeleuchtung fängt an, der Horizont zieht später nach. Projektleiter Tim erläutert "Spektrum Amber bis Zinnober". Der Tagungsraum in der 18ten dunkel und leer. Ca. 20 Stehleuchten, Alu, stehen im Halbkreis. Die Kabel noch verpackt. Pan-O-Rama. Rechte Hand auf dem Brustbein, die Linke sucht nach einem Kaugummi. Der Rhein. Bis auf zwei Etagen ist hier nix vermietet. "Herr Stern sitzt neben Herrn Weihnacht. Ist das korrekt?" Der Junge an der Rezeption, der kleine Concierge, hat wie ich, das ausliegende HQ-Magazin mehrfachst gelesen. Er: "Mindestens 3 mal." Ich: "Ja, ich auch, aber nur den Artikel mit den Wohnungen von Karl Lagerfeld" Beide: "Alles schwarz-weiß." Überall krasse Sympathie. Beim Essen spricht man über Vornamen und auf einmal finden alle Ben total gut, Benno jedoch furchtbar. Ich laber von den Missständen in brasilianischen Favelas und dann über Missstände an deutschen Hochschulen. Dann weiß ich nicht ob ich, Karosserien betreffend, matte Lackierungen schick oder asozial finde. Ich habe zwei Fragen zu Immobilienfonds. Meine Kollegin hat Piercings. Wie das wohl wäre Jenny zu heißen. Oder Nina. "Im siebten Semester." antworte ich. Wie es wohl wäre ein Junge zu sein. Ziemlich gut wahrscheinlich. "Nein. Acht in der Regel."

Den Weltuntergang fand er enttäuschend. Noch was anderes war auch doof, ich weiß aber nicht mehr was, also sollte das hier jetzt mal besser klappen. Markus umklebt die Flaschen sorgsam mit Klebeband und zerschlägt sie, etwas verhalten, in ein Handtuch gewickelt, auf dem Balkonboden. Ich drehe sie, gegen die Abendsonne haltend, durch die Sprünge blinzelnd, so langsam in den Fingern, wie es mir eben möglich ist. Also nicht sehr. Das Harz läuft immer zögerlicher, immer dicker die Flaschenwand entlang. Alles für ein Uni-Projekt. Thema Erinnerung. Im Wohnzimmer funkeln die Trümmer der ersten Versuche. Noch ein paar Tage hat er, um die fertig zu bekommen. Cola light, Multivitamin-Saft, Lachs, Feigen, Zigaretten und Internet- Recherche zu Knicklichtern. Aha: "Die Emission von Licht bei der Chemilumineszenz ist eine Folge des Überganges eines Elektrons aus einem angeregten Zustand in den Grundzustand. Anders als bei Fluoreszenz oder Phosphoreszens wird dieser angeregte Zustand bei der Chemilumineszenz durch eine chemische Reaktion erreicht." Wir können nicht länger warten und wickeln voller Ungeduld eine Flasche aus, bevor der Film hart genug ist sie zu halten.