Montag, 3. Oktober 2011

Für A.

"Normalerweise kann man so um die 70 Prozent Leistung abrufen. Da gibt es so 'nen Riegel, der die Kraft drosselt. Mit extremen Training sind es an die 80, im Höchstfall 90, aber dann mit Doping. Die letzten 10 Prozent sind reserviert für Panik. Das Ding ist: Zombies leisten immer 100. Krieger ohne Willen. Die haben nichts zu verlieren." Einfahrt Bahnhof Düsseldorf-Flingern. Es sollen in den nächsten Tagen bis zu 27 Grad werden. Ich habe mir das Bargeld lose in die Taschen meiner Shorts gesteckt. Kein Portemonnaie, das unhübsch aufliegt. Ich weiß absolut nicht, wo mein Taschenmesser sein könnte. Der Ausstieg in Fahrtrichtung rechts. Der andere Junge schließt den Thread mit : "Lebende Tote, schon klar. Aber das ist nur Theorie." Fear is for beginners, paranoia for professionals and panic for advanced. Himmel: rot-gold, wolkenlos. Comitted, ich bin comitted. Das weiß ich. Und keine Waffe und mitten auf dem Battlefield. Ich brauche einen Kampfnamen.

Im Salon des Amateurs ist nicht viel los. Auf der Damentoilette bittet ein laminierter Ausdruck um die korrekte Entsorgung der Hygieneartikel. Voll lahm. In der Hauptstadt wähnt man den Hipster schon längst tot. Hier wenigstens gesteht man sich sein rapides Altern. Darauf eingestellt haben sich, kleidungstechnisch, die Mädchen vorm Eingang. Die Knie zwar trotzig durchgedrückt wie am ersten Schultag, aber schon Frisur und Kledage wie zum Verbliebenen- Café im Seniorentreff. Vielleicht vereinen sich aber auch gerade die Visionen der Berliner Modeblogger/ Soziologen (yes- i know.) und der beiden Jungs von vorhin aus dem Zug. Das hier sind alles Living- Dead, die zum Schein Aufheben um die Proportionen von Gin und Tonic-Water machen, damit ich nicht merke das es willenlose Untote sind, mit der Superwaffe Egalness, versteckt getragen unter der Oversize-Cardigan von Urban Outfitters. Dagegen hilft nur Entsetzen, im Ernstfall erschliess ich mir so die letzten 10 Prozent.

Wirklich 27 Grad. Völlig anstrengender Tag. Ich finde grillen extrem primitiv. Ja, auch in der Oberschichten-Variante. Das schmeckt dann zwar zugegeben, aber dafür werden auch Fotos vom Grillgut auf gutem Porzellan, auf dem Blog oder im sozialen Netzwerk hochgeladen. Da hilft auch kein Alkohol drüber hinweg. Auch kein japanischer Single-Malt.

Wir bräuchten keine Waffen- nein. Auf der Parkbank, im Wald sitzend, Dämmerlicht. Wovor ich mich denn fürchte. Jedenfalls nicht vor der Dunkelheit. Die ist mein Kompagnon. Und bis sie kommt, finde ich Ausflüchte. Es wird langsam Nacht, aber nicht wirklich finster. Immer noch keine Wolken. Der Teich reflektiert die Bäume, das Display beleuchtet den Boden, unter meinen Fingern glimmt es. Im Laub und an den Ästen liegen und hängen die chemischen Lichter einer Schnitzeljagd. Dinge die man in Naturkundeführern nachschlagen kann, sind nicht unheimlich. Dinge die man hinter Augenlidern, zwischen zwei Atemzügen oder jenseits der Erwartung findet aber schon. Mond vs Knicklichter vs I-phone. Die Luft ist warm und dann wieder kalt. Wir verlaufen uns tatsächlich. Ausserdem ruft ein Käuzchen, ein echtes. Ich behalte das blaue Knicklicht bis zum Schluss, in meinen Gürtel geflochten und mein Schatten sieht dunkler aus als die Nacht drumherum.