Dienstag, 29. Mai 2012


Mit einem Kissen unterm Arm, schaue ich mich in dem Garten um, in dem ich warten möchte. In den Ecken stehen alte Stühle und Liegen, ein Feuerkorb, ein Tisch. Ich lege das Kissen und meinen Kram weg, nehme die Brille ab und schaue durch die Fenster in den Anbau. Ich hätte auch im Arbeitsraum warten können, oder in der Küche. Ein kleine Reihe von Dingen gibt dem Garten den Vorzug. Die Sonne natürlich, die – weil der Garten so schmal ist – tatsächlich in ihn zu fallen scheint. Raschelnd gebremmst vom Laub, landet sie in Bruchstücken auf dem Kies, von dem ich eine Handvoll nehme. Die dunkle Stelle schiebe ich mit dem Schuh wieder glatt. Dann lege ich den Kopf in den Nacken und schaue in die Kastanien des Konsuls, im Garten nebenan. Dann wieder in den Anbau und in den Feuerkorb. Kastanien nochmal – etwas länger. Es ist immer noch ziemlich warm. Ich lasse ein paar von den Steinchen fallen, indem ich sie einzeln mit dem Daumen aus meiner Faust schiebe; höre fast nichts von der Stadt und dann Schritte. »Oh, danke.« Ich bekomme Import Mineral-Wasser und ein Glas. Wie bei einer Mechanik; einer alten Mechanik, einer Physik die man mögen kann; greifen nun Dinge ineinander, die uns sagen lassen, dass es hier wirklich schön ist. Dass man ziemliches Glück hatte. Viel Glück sogar. Eigentlich ist hier alles ideal. Wir nicken. In einem Baum hinter mir und der Dame, vielleicht ist es auch nur ein hochgeschossener Strauch, führt ein kreisrundes Loch durch den Stamm. Gerade bevor die ersten Äste sich gabeln. Man könnte eine schmale Hand durchschieben, ohne Steinchen darin – versteht sich. Aber daran denke ich garnicht, als ich den Garten nochmals lobe.

Die Jungs benehmen sich hochriskant, weil sie meinen Nachbarn provozieren. Jetzt ist das natürlich lustig, ich lach ja auch. Aber ich muss hier nicht nur wohnen, sondern auch überleben. Beides manchmal schwer genug, für mein Empfinden. Sein Fenster liegt direkt meinen Fenstern gegenüber. Tagsüber ein dunkles Rechteck, mit blätterndem Rahmen; ständig offen, mit einer alten weißen Spitzengardine, die ernsthaft auch noch immer vom Wind rausgezogen wird. Die weiße Fahne eines Spinners, der vor seinen Perversionen kapituliert hat. Nachts brennt, im dunkel gestrichenen Zimmer, eine lilane UV-Lampe. Immer, und mindestens, ein Flatscreen. Seit circa 4 Monaten beobachtet mich der Kerl offensiv, manchmal rauchend, immer im Unterhemd. Nicht hinterm Vorhang, nicht mal heimlich. Er hat gerade einen Freund zu Besuch, oder einen debilen Bruder. Möglicherweise wohnen sie zu zweit dort, und ich habe bisher immer nur einen von beiden gesehen. Wahrscheinlich erledigen sie das Starren, Rauchen und Pornoglotzen in Schichtarbeit. Dauerhafter Betrieb. Wir beobachten sie wohlmöglich gerade während der Übergabe. Schlimm und lustig. Schlimm und schlimm. »Guck mal:« sagt Anne, die diesseitigen Zimmer durchstreifend, alle Sachen durchkommentierend, während Mark den Typen mit einem Marker eine Botschaft auf mein Fenster schreibt. In Spiegelschrift– er braucht leidlich lang dafür. Mit einem »Auf keinen Fall.« wische ich sie direkt wieder weg. Bei ausgeschalteter Lampe, mit zusammengekniffenen Augen schauen wir rüber. Bald formen Lux und ich die Konturen meines Sofas exakt nach, so schlapp sind wir von der neuesten Entdeckung. Auf einer Box neben – ich weiß garnicht was das ist – steht ein... Tesla-Ball! Dieser zuckt seltsam unregelmäßig. Bestimmt ist er an ein Audio-Signal gekoppelt. Musik kann es nicht sein. Wahrscheinlich ist es...ja, bestimmt sogar...Hahaha! Hardcore. »Können wir bitte losgehen? Ja?« Können wir. Anne ist gerade auch mit allen Sachen durch. Die Sätze von ihr, die mit »Guck mal:« anfangen (sehr viele), enden entweder mit »voll schön« oder »total schäbig«. Aus welchem Motiv heraus sie das macht, vermute ich später auf der Strasse. Ganz offensichtlich ist das nicht, denn es geht ihr, glaub ich, weniger um das Urteilen. Sie gibt mir recht. Ausserdem vermute ich, dass mein Nachbar seinen Pimmel manchmal grinsend auf den Tesla-Ball legt. Vielleicht auch im Contest mit seinem Kumpel. Ich täte das wahrscheinlich auch, hätte ich einen Pimmel, einen Tesla-Ball und einen Kumpel, der das lustig fände. Es fehlen mir dazu nur zwei Dinge. Eines davon sucht Lux auf Amazon.